Internationales Erbrecht

🔍 1. Anwendbares Erbrecht (Erbstatut)
Die zentrale Frage lautet: Welches nationale Recht gilt für die Erbfolge?
EU-ErbVO (Verordnung Nr. 650/2012):
Für Erbfälle ab dem 17.08.2015 in der EU (außer Dänemark und Irland) gilt:
Grundsätzlich das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers im Todeszeitpunkt.
Rechtswahl ist möglich: Der Erblasser kann das Recht seines Staatsangehörigkeitsstaates wählen.
Bei Nicht-EU-Ländern oder Staaten ohne bilaterales Abkommen greifen nationale Regeln des internationalen Privatrechts (z. B. deutsches EGBGB Art. 25 ff.).

🧾 2. Erbschein oder Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ)
In grenzüberschreitenden Fällen innerhalb der EU ist das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ) einheitlich anerkannt.
Das ENZ dient z. B. zur Vorlage bei Banken oder Grundbuchämtern im Ausland.
In Drittstaaten braucht man ggf. einen nationalen Erbschein und eine Apostille oder Legalisation.

📜 3. Formgültigkeit letztwilliger Verfügungen
Ein Testament muss formgültig nach dem jeweils anwendbaren Recht errichtet worden sein:
Möglich sind Formvorschriften nach dem Recht:
des Aufenthaltsortes,
der Staatsangehörigkeit,
des Errichtungsorts,
oder des gewöhnlichen Aufenthalts im Errichtungszeitpunkt.
Die Haager Testamentsformübereinkunft von 1961 regelt die internationale Anerkennung formgültiger Testamente.

🏛 4. Gerichtszuständigkeit
Nach EU-ErbVO ist grundsätzlich das Gericht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers zuständig.
Eine Gerichtsstandsvereinbarung ist zulässig, wenn eine Rechtswahl erfolgt ist (z. B. zur Zuständigkeit deutscher Gerichte bei deutschem Erbrecht).

💰 5. Erbschaftsteuer und Doppelbesteuerung
Erbschaftsteuerpflicht kann in mehreren Ländern bestehen:

Wohnsitzstaat des Erblassers
Staat, in dem sich das Vermögen befindet
Wohnsitzstaat des Erben
Deutschland hat nur wenige Doppelbesteuerungsabkommen auf Erbschaftsteuergebiet (z. B. mit Schweiz, USA, Frankreich, Schweden, Dänemark).
Ohne DBA kommt es zur Anrechnung ausländischer Steuer oder zur Doppelbesteuerung.

🧑‍⚖️ 6. Nachlassabwicklung & Nachlassspaltung
Nachlassspaltung möglich: Verschiedene Teile des Nachlasses können unterschiedlichem Recht unterliegen (z. B. unbewegliches Vermögen = Belegenheitsrecht).
Vermögen im Ausland muss oft dort lokal durch ein Verfahren übertragen werden (z. B. Eintragung ins Grundbuch, Bankformalitäten).

⚠️ 7. Besondere Fallkonstellationen
Mehrstaatigkeit: Mehrere Staatsangehörigkeiten können zur Wahlmöglichkeit führen.
Wohnsitzwechsel kurz vor Tod: Kann zu unerwarteter Rechtsfolge oder Steuerpflicht führen.
US-Staatsbürger oder "Green Card"-Inhaber: Besondere steuerliche Pflichten gegenüber IRS.
Immobilienbesitz im Ausland: Oft zwingend dem nationalen Grundstücksrecht unterworfen.
Trusts, Stiftungen, Lebensversicherungen: Rechtsvergleich und Anerkennung können kompliziert sein.

📑 8. Empfehlungen zur Vorsorge
Testament unter Berücksichtigung internationalen Bezugs erstellen – ggf. mit Rechtswahl.

Europäisches Nachlasszeugnis vorbereiten.
Steuerliche Gestaltung mit internationalen Steuerberatern abstimmen.
Klarheit über Bankkonten, Immobilien, Depots und Vermögensorte schaffen.

Erbfolge ermitteln

Wurde ein Testament hinterlassen, so ergibt sich aus diesem die Erbfolge. Voraussetzung ist, dass der Erblasser testierfähig war und dass er nicht durch ein gemeinschaftliches Testament oder einen Erbvertrag eingeschränkt war. Gerade handgeschriebene Testamente sind mitunter nicht leicht zu interpretieren. Gerne helfen wir Ihnen hier weiter.

Handgeschriebene Testamente oft problematisch

Nicht immer lässt sich der Wille des Erblassers eindeutig seinem Testament entnehmen. Oft werden im Testament Fachbegriffe verwendet, denen aber eine ganz andere Bedeutung zukommt, als der Erblasser meint. z.B. Vor- und Nacherbe statt Erbe und Schlusserbe. Oder Testamente sind inhaltlich widersprüchlich.
Ein häufiger Fehler besteht darin, dass der Erblasser zwar seine Vermögenswerte in seinem Testament unter seinen Lieben verteilt, aber nicht bedenkt, dass diese Vermögenswerte bei seinem Tod vielleicht nicht mehr alle vorhanden sind, und andere Verögenswerte hinzugekommen sind. Es kann sich dann entweder um ein Vorausvermächtnis handeln oder um eine Teilungsanordnung. Oder es ist anhand der Werte im Testament zu ermitteln, mit welchem Prozentsatz der Erblasser wen bedenken wollte.
Handgeschriebene Testamente sollten immer durch den Erblasser dem Nachlassgericht eingereicht werden.
War der Erblasser über bestimmte Tatsachen im Irrtum, dann kann das Testament angefochten werden, wenn der Irrtum glaubhaft gemacht werden kann. Dieses Anfechtungsrecht ist fristgebunden, es muss binnen 1 Jahres ausgeübt werden. Zur Anfechtung ist nur berechtigt, wer in der gesetzlichen Erbfolge steht, wem also der Wegfall des Testaments zu Gute käme.

Annehmen oder Ausschlagen?

Die wichtigste und dringendste Entscheidung ist die Entscheidung, ob die Erbschaft angenommen werden oder ob sie besser ausgeschlagen werden sollte. Die Ausschlagung kann nämlich immer nur binnen 6 Wochen ab Kenntnis erklärt werden. Die Frist verlängert sich auf 6 Monate bei nachgewiesenem Auslandsaufenthalt des Erben. Die Ausschlagungserklärung bedarf einer Unterschriftsbeglaubigung durch den Notar, wenn sie nicht direkt vor dem Nachlassgericht abgegeben wird.
Meist wird eine Ausschlagung erklärt, weil der Nachlass erkennbar überschuldet ist und der berufene Erbe nicht für die Schulden des Erblassers haften will. Ist nicht sicher, ob der Nachlass überschuldet ist, so sei darauf hingewiesen, dass sowohl Ausschlagung wie auch Annahme der Erbschaft angefochten werden können, wenn sich der Irrtum später herausstellt. Die Anfechtung der Annahme gilt dann als Ausschlagung, die Anfechtung der Ausschlagung gilt dann als Annahme. Auch diese Anfechtung ist aber form- und fristgebunden.
Nur selten wird eine Ausschlagung erklärt, weil ein Erbe oder Miterbe bereits ausreichend Vermögen besitzt und ihm der Wert des Nachlasses zu gering erscheint, um sich mit dem Stress einer Nachlassabwicklung auseinander zu setzen.
Eine Ausschlagung ist aber auch zu erwägen, wenn zwar eine Erbeinsetzung erfolgt ist, die Erbschaft aber durch Auflagen und Vermächtnisse oder Testamentsvollstreckungsanordnung derart eingeschränkt ist, dass das Pflichtteil günstiger wäre. Insbesondere der nicht befreite Vorerbe sollte über eine Ausschlagung nachdenken, wenn er denn pflichtteilsberechtigt ist. Wichtig: Bei Ausschlagung muss man sich dann das Pflichtteil ausdrücklich vorbehalten.

Erbschein beantragen

Der Erbschein ist das offizielle Dokument, das Sie als Erben ausweist. Sie benötigen ihn, um auf Bankkonten zuzugreifen, Immobilien im Grundbuch umschreiben zu lassen oder Versicherungsleistungen zu erhalten. Ist auch Nachlass im Europäischen Ausland vorhanden, so sollte anstelle des Erbscheines besser ein Europäisches Nachlasszeugnis beantragt werden, sofern das entsprechende Ausland am Europäischen Erbrechtsübereinkommen teilnimmt.
übrigens: Für den in Deutschland gelegenen Nachlass ist ein Erbschein in aller Regel nicht erforderlich, wenn das Testament von einem Notar beurkundet wurde.
Ist Testamentsvollstreckung angeordnet, so muss das auf dem Erbschein vermerkt werden.

Taktische Ausschlagung

Für wohlhabende Familien ist noch eines wichtig: Eine Ausschlagung kann auch in Frage kommen, wenn der Nachlass zwar ausgesprochen werthaltig ist, aber das Testament steuerlich ungünstig verfasst ist und für die Familie insgesamt erkennbar erhebliche Steuermehrbelastungen zur Folge hat. Dann kann z.B. die zur Alleinerbin berufene überlebende Ehefrau eine sogenannte Ausschlagungsvereinbarung mit den potentiellen Erben treffen, die im Fall der Ausschlagung zum Zuge kommen, und mit diesen vereinbaren, wie der Nachlass für den Fall einer Ausschlagung verteilt wird. Insbesondere kann sie sich auch eine Gegenleistung ausbedingen. Die Ausschlagungsvereinbarung kann so ausgestaltet werden, dass steuerliche Nachteile des Testaments korrigiert werden können, ja sogar - z.B. durch Einbeziehung der Enkel neben dem Sohn - eine zusätzliche Nutzung der Enkel-Freibeträge von jeweils 200.000 EUR je Person erreicht wird.

Immobilien umschreiben lassen

Mit dem Erbschein, einem Europäischen Nachlasszeugnis oder auch einem eröffneten notariellen Testament können Sie die Immobilien des Erblassers auf sich umschreiben lassen.

Streit unter Miterben

Miterbengemeinschaften sind streitanfällig. Geht ein Mehrfamilienhaus z.B. an zwei Geschwister, dann müssen sich diese über die Verwaltung einigen, und das geht oft nicht gut. Eine Lösung bietet dann oft die Teilungsversteigerung. Gerne beraten wir Sie hier.

Versicherungen und laufende Verträge prüfen

Lebensversicherungen sollten spätestens jetzt auf die Bezugsberechtigung hin überprüft werden. Wird dabei entdeckt, dass z.B noch die frühere Ehefrau in der Police als bezugsberechtigt steht, dann kann möglicherweise jetzt noch die Bezugsberechtigung widerrufen werden.
Nicht länger benötigte Verträge sind eventuell zu kündigen, wenn sie nicht - was sich z.B. für Pflegekräfte empfiehlt - von vornherein auf den Tod des Erblassers befristet wurden.

Erteilte Vollmachten widerrufen

Hatte der Erblasser Vollmachten erteilt an Personen, die nicht Erben wurden, dann sollten diese Vollmacht vorsichtshalber widerrufen werden, wenn sie über den Tod hinausgehen.

Pflichtteile und Vermächtnisse erfüllen

Hat der Erblasser Kinder enterbt - z.B. das Kind aus einer früheren Ehe, dann hat dieses dennoch Anspruch auf einen Pflichtteil. Dieser Anspruch ist vom Erben zu erfüllen, wenn er geltendgemacht wird. Dazu gehört auch die Auskunftserteilung über die Werte des Nachlasses, für die ggf. auch ein Sachverständigengutachten einzuholen ist. Beim Pflichtteil achten Sie bitte auf folgendes: Sollte der Anspruchssteller schon irgendwelche Schenkungen erhalten haben, so kann darin eine Anrechnungsbetimmung getroffen worden sein.

Einkommensteuererklärung abgeben

Da der Erbe voll in die Rechtsstellung des Erblassers eintritt, hat er nicht nur eine Erbschaftsteuererklärung abzugeben; er hat auch die steuerlichen Pflichten des Erblassers zu erfüllen, also z.B. die Einkommensteuererklärung für diesen abzugeben.

Adresse
Dr. Ramminger & Partner Rechtsanwälte & Steuerberater Partnerschaftsges. mbB
Gerbermühlstraße 9, 60594 Frankfurt am Main (zwischen Colosseo und Oberfinanzdirektion)
Telefon 069 2972361-0, Fax: -111, E-Mail: post@rammingerpartner.de